Der Begriff Phyle (φύλη) kommt aus dem Griechischen und bedeutet "Stamm". In der griechischen Antike wurde der Begriff benutzt, um die Zugehörigkeit der freien Bürger innerhalb der Bürgerschaft (Polis) zu beschreiben. Ein freier Grieche gehörte aufgrund von verwandtschaftlichen Beziehungen seiner Sippe (= Genos) an und darüber hinaus zugleich einem Stamm, der Phyle. Heute wird der Begriff in verschiedenen Wissenschaften entsprechend seiner wörtlichen Bedeutung "Stamm" verwendet. Er wird in dieser Bedeutung u.a. in der Biologie benutzt, z.B. als Bezeichnung für den aufrecht wachsenden Teil eines Baumes oder Strauches (Pflanzenwuchsform) oder als Klassifikationsebene der biologischen Systematik (so beschreibt die Phylogenese die Stammesgeschichte der Lebewesen; u.a. die biologisch-ökologische Entwicklungsgeschichte der Menschheit, menschlicher Rassen und Völkerstämme bezogen).
In der ägyptischen Antike taucht der Begriff als griechische Übersetzung für den ägyptischen Begriff sA "Schiffs- oder Bordwache"
auf. Der Begriff sA wurde als Organisationseinheit für die Einteilung von Priester- und Arbeitergruppen verwendet.
Die Bezeichnung für die hierarchisch höchste Einheit war apr "Abteilung". Im Alten Reich (AR) bestand eine Abteilung aus 5 Phylen, jede benannt nach einer Wache:
jmj-wr
Steuerbord vorn
wADt
Steuerbord hinten
tA-wr
Backbord vorn
nDst
Backbord hinten
jmj-nfrt
Achterdeck ?
Jede dieser Phylen bestand ihrerseits aus zwei Gruppen. Wurden für besondere Aufgaben mehr Personen benötigt, dann wurde für eine apr die Anzahl der Phylen z.B. verdoppelt.
In den Totentempeln und den Sonnenheiligtümer des AR wurde die Phyle nicht nur zur Organisation der Tempeldiener, sondern auch zur Diensteinteilung verwendet, d.h. die Phylen wechselten sich jeden Kalendermonat im Tempeldienst ab. Demnach hätte ein Priester jeden 5. Monat Dienst im Tempel gehabt.
Im Mittleren Reich (MR) wurde die Anzahl der Phylen auf 4 reduziert, der Versuch in ptolemäischer Zeit (Kanopusdekret aus dem 9. Jahr Ptolemaios III.; i.e. 238 v. Chr.) wieder eine 5. Phyle im Tempeldienst einzusetzen, hat sich wohl nicht durchgesetzt.
Quelle: Hannig, R., Grosses Handwörterbuch Ägyptisch-Deutsch. Mainz 1995, S. 979 Helck, W. in: Lexikon der Ägyptologie, Bd. I, Wiesbaden 1975-86, Sp. 371ff Helck, W. in: Lexikon der Ägyptologie, Bd. IV, Wiesbaden 1975-86, Sp. 1044