ptr sw.t jr.j "Was sind ihre Stätten?" etwas freier: "Wie steht es um ihre Stätten?"
ptr "was ist? wer ist?" (Hannig, S. 298) - Denkbar ist auch ptr "siehe!" Was m.E. dagegen spricht, ist das fehlende Determinativ D6 "Auge mit durchgezogener Schminke". Beim Durchblättern des Zettelarchivs habe ich den Eindruck, daß es eigentlich immer geschrieben wird. Leider fehlt eine Zusammenstellung der Schreibungen bzw. habe ich diese nicht gefunden. s.t "Platz, Stelle, Ort" (S. 648) - Nun ist dies ein sehr allgemeiner Begriff. Ich denke, daß hier "(3) Grabstelle; Grundstück (für Grab, Gebäude)" gemeint ist. jr.j "zugehörig zu, befindlich an" (Hannig, S. 82) - siehe auch Wb I, 104, 19-20 "Allein als Zusatz zu Substantiven ... Oft als Ersatz eines Possessivsuffixes"
Hinweis: Die Endung für femininen Plural ist .wt (Gardiner, § 72)
jnb.w=sn fx.w "Ihre Mauern sind zerstört / zugrunde gegangen"
fx "zerstören, zugrunde gehen" (Hannig, S. 307)
Hier handelt es sich um die sog. pseudoverbale Konstruktion: Substantiv + Pseudopartizip. Letzteres hat die Endung .w für Plural maskulin (Gardiner, § 309), die oft nicht geschrieben wird, in diesem Fall aber schon! Damit ist auch klar, wie der Satz zum vorherigen abzugrenzen ist.
Re: Übersetzungsübung: Imhotep, ein Weiser aus Ägypten
« Antwort #17, Datum: 26.05.2010 um 21:51:00 »
Hallo zusammen,
jetzt muss ich doch noch etwas dazu schreiben. Ist schon irgendwie faszinierend und beeindruckend, was da steht.
Vor über 3000 Jahren hat man das geschrieben!
Die Reden (Lehren, Ideen, ...) von Imhotep und Hordjedef leben immer noch und werden immer noch zitiert, trotz dass von ihnen nicht einmal mehr die Wohnungen (Orte, Stätten) existieren und zu Staub zerfallen sind, so als hätten sie nie existiert.
Mir läuft es da kalt den Rücken runter ...
Hier nochmal zusammengefasst und leicht verändert der Text:
Ich habe die Reden des Imhotep und des Hordjedef gehört, die immer noch als ihre Sprüche zitiert werden. Wie steht es um ihre Wohnstätten? Ihre Mauern sind zerstört, ihre Orte existieren nicht mehr, als ob es sie nie gegeben hätte.
Re: Übersetzungsübung: Imhotep, ein Weiser aus Ägypten
« Antwort #18, Datum: 27.05.2010 um 19:55:25 »
Hallo,
was mich noch interessieren würde:
Hierbei handelt es sich doch um ein Lied. Gibt es irgendeinen Hinweis auf die Noten?
Gruss Thomas
(P.S. @Liebe Seschen: Ich arbeite hin und wieder, so auch jetzt, an einer UNIX-Konsole. Die hat kein "scharfes s". Nicht dass du glaubst, ich würde deine Tipps nicht beherzigen)
ptr "was ist? wer ist?" (Hannig, S. 298) -Denkbar ist auch ptr "siehe!" Was m.E. dagegen spricht, ist das fehlende Determinativ D6 "Auge mit durchgezogener Schminke". Beim Durchblättern des Zettelarchivs habe ich den Eindruck, daß es eigentlich immer geschrieben wird.
Natürlich hatte auch ich die Bedeutungen ptr - "was ist? wer ist?" in Betracht gezogen. "Wo ist /sind?" wäre zum Kontext passender, dies Fragewort wird aber vom Wörterbuch nicht gedeckt. Ich entschied mich für "Siehe!" (Imperativ) weil somit nicht freier übersetzt werden muss. Es sind im Zettelarchiv sehr wohl Schreibungen von ptr - sehen ohne Auge-Determinativ zu finden. (DZA-Nummern auf Wunsch gerne per PN). Aber ich will hier keinem Experten widersprechen...
nn-wn s.wt=sn mj n.tt n xpr=sn Ihre Stätten existieren nicht (mehr), als ob sie niemals entstanden sind.
nn-wn - es existiert nicht (Negation, Wb 1, 308.8-9) mj-n.tt - wie, als ob (Wb 2, 37.13) xpr - entstehen; existieren n - Negationspartikel
Grüße, Seschen
PS (20:42 Uhr)
Zitat:
Aber ich will hier keinem Experten widersprechen...
Ich meinte, der Übersetzung eines Experten widersprechen!
Es sind im Zettelarchiv sehr wohl Schreibungen von ptr - sehen ohne Auge-Determinativ zu finden. (DZA-Nummern auf Wunsch gerne per PN). Aber ich will hier keinem Experten widersprechen...
Na, wenn das kein Widersprechen ist! Auch ohne DZA-Nummern kann ich ein "Siehe: ihre Stätten!" als Übersetzung einsehen, denn es paßt auch zum Tenor.
Zum Schluß dieser Passage:
nn wn sw.t=sn "nicht gibt es ihre Stätten (mehr)"
nn wn siehe auch Gardiner, Egyptian Grammar, § 108
Auch zum folgenden hat Gardiner eine Parallele (§ 201):
Zitat:
mj n.tjw n xpr (for xpr=sn) as though they had never existed, lit. like ones who have not come being
In unserem Beispiel ist xpr=sn ausgeschrieben. Was auffällt, ist, daß Gardiner nur n xpr=sn, nicht nn xpr=sn hat. So hat es auch Seschen umschrieben. Das Problem liegt darin, daß nn sDm=f sich in der Regel auf Zukünftiges (Gardiner, § 105, 2), während n sDm=f sich auf Vergangenenes bezieht (§ 105, 1). Als Erklärung ist wohl heranzuziehen, daß in späterer Zeit - dieser Text wird in die 19. Dyn. datiert - diese beiden Formen nicht mehr unterschieden werden. So bemerkt Jansen-Winkeln in seiner Spätmittelägyptischen Grammatik für die Texte der Spätzeit, daß in hieratisch geschriebenen Texten durchgehend nn verwendet wird (§ 338), und die Vorlage unserer Übung entstammt einem hieratisch geschriebenen Papyrus!
wie schon bemerkt wurde, entstammt dieser Text dem "Harfnerlied", das sich in jeder Anthologie altägyptischer Literatur findet und auch im Internet oft zitiert wird. Genauer gesagt, ist es Teil des sog. "Antefliedes", eines dieser Harfnerlieder. Es spricht sich für den "Lebe den Tag!" aus und wendet sich gegen die überzogenen ägyptischen Vorstellungen vom Jenseits, um es grob zusammenzufassen.
So faszinierend diese Thematik an sich ist, ging es mir aber in dieser Übung vor allem um Imhotep! Denn wir entnehmen diesen Zeilen, daß es wohl eine Weisheitslehre von ihm gab, die damals in aller Munde war. Leider ist uns nichts davon überliefert! Vielleicht kennen wir sogar einige seiner Passagen, aber da sie ihm nicht zugeordnet werden, wissen wir nichts davon!
Unser Text stellt ihn neben Hordjedef, von dem in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts Fragmente seiner Lehre gefunden wurden. Hellmuth Brunner hat in einem langen Artikel "Zitate aus Lebenslehren", in: Erik Hornung, Othmar Keel (Hrsg.), Studien zu altägyptischen Lebenslehren, Freiburg (Schweiz) / Göttingen, 1979, S. 105-171 ihrem Weiterleben - und dem anderer Weiser aus Ägypten - nachgespürt und herausgefunden, daß Zitate von Hordjedef über 2.600 Jahre, bis in die römische Kaiserzeit, tradiert worden sind!
Wenn wir nun einen Blick in Hordjedefs Lehre werfen, so stellen wir fest, daß der von uns bearbeitete Text ganz spezifisch darauf eingeht, denn es heißt bei Hordjedef (Übersetzung nach Hellmuth Brunner, Altägyptische Weisheit, Zürich / München, 1988, S. 102):
Zitat:
Statte dein Haus in der Nekropole gut aus und richte deinen Platz im Westen wirkkräftig her.
Im Original heißt es (nach Wolfgang Helck, Die Lehre des Djedefhor und die Lehre eines Vaters an seinen Sohn, Wiesbaden, 1984, S. 6):
s.mnx pr=k n Xr.t-nTr s.jqr s.t=k n.t jmnt.t
s.mnx "errichten (Tempel, Gebäude), anlegen (Grab), verschönern" (Hannig, Ägypisch-Deutsch, S. 708) Xr.t-nTr "Nekropole" (S. 643) s.jqr "bereichern, ausschmücken (Gebäude)" (S. 667)
Hier taucht das Wort s.t "Stätte, Stelle, Platz" auf im Sinne einer Grabstätte.
Mit anderen Worten: Der Passus aus dem Anteflied richtet sich genau gegen diese Aufforderung, da sie ja vergeblich ist: "Siehe, ihre Stätten! Ihre Mauern sind zerstört. Es gibt ihre Stätten nicht mehr, als ob sie nie existiert hätten!"
Wir können also aus der Tatsache, daß Imhotep neben Hordjedef in diesem Zusammenhang erwähnt wird, schließen, daß sich Imhotep ähnlich wie Hordjedef geäußert hat.
Zusammengefaßt: Imhotep war wie Hordjedef ein Weiser, dessen Sprüche überall zitiert wurden. Aus diesem Grunde spendeten ihm die Schreiber eine kleine Wasserspende aus ihrem Napf.
hat da nicht Gardiner Recht, wenn er nur n xpr schreibt? Das gleiche trifft m.E. auch auf die erste Negation zu. Ich habe daher an beiden Stellen nur mit n umschrieben.
n wn s.t=sn mj nt.t n xpr=sn
Ich hatte hier gelernt, dass in der Umschrift das geschrieben wird, was grammatikalisch gemeint ist und nicht das, was da steht.
Zur Schreibweise von n wn siehe Wb I, 308, wo auch die Schreibweise mit D35 und n angegeben ist.
Wie du bereits angemerkt hast, wird dies im nä immer so geschrieben.
Aber in der Umschrift sollte doch in beiden Fällen nur n stehen. Oder bin ich schon wieder blind ?
Nachtrag: zum ersten nn wn möchte ich noch anmerken, dass Allen in §20.16.3 folgendes schreibt:
Zitat:
The negative counterpart of jw wn as a general statement of existence is nn wn. Although this looks like the subjunctive negation nn sdm=f(§19.11.1), it normally means "there is not" or "there does not exists" rather than "will not exists".
Re: Übersetzungsübung: Imhotep, ein Weiser aus Ägypten
« Antwort #23, Datum: 28.05.2010 um 08:35:02 »
Hallo RamsesXII,
also, wenn ich das richtige verstanden habe, dann ist nn wn als "perfektiv" zu verstehen = Hinweis auf die Vergangenheit. Dazu schreibt James P. Allen:
Zitat:
20.16 The perfective of wnn Wie auch bei den anderen Verben, so hat das 2ae-gcm. Verb wnn "existieren" eine perfektive Schreibung = wn. (Also nur "ein" n). Dieses Schreibung wird manchmal … mit Verweis auf die Vergangenheit in Hauptsätzen und nach der Negation nj verwendet.
Daraus folgert er im weiteren Verlauf der Grammatik:
Zitat:
Der negative Gegenpart von "iw wn" als eine allgemeine Erklärung des Daseins ist nn wn. Obwohl dies aussieht wie die Negation des Konjunktivs nn sdm.f (§ 19.11.1), bedeutet es normalerweise: "Es ist nicht" oder "Es existiert nicht" …
Genau das steht in unserer Übung: nn wn (nur ein "n" bei wn).
Abseits davon beschäftigt mich noch weiterhin die Tatsache, das es ein Lied ist. Wenn es keinerlei notenähnliche Aufzeichnungen / Zeichen / Hinweise aus dem Alten Ägypten gibt, wie kommt man dann darauf, dass es ein Lied ist? Des weiteren haben wir hier ein paar Stellen, wo wir die Hieroglyphe A1 als Determinativ angesehen haben. Warum? Könnte es nicht eher eine "dichterische" Schreibung sein: Ich habe gehört (Pause) meine Worte (Pause) meines Imhotep und des Hordjedef …
Re: Übersetzungsübung: Imhotep, ein Weiser aus Ägypten
« Antwort #24, Datum: 29.05.2010 um 10:05:58 »
Guten Tag,
vgl. dazu auch die Lehre fuer Merikare, pCarlsberg VI 4,11: sjqr st=k nt jmntt smnx Hwt=k nt xrt-nTr; in pHerm 1116A 128 stehen sjqr Hwt und smnx st; siehe auch die Lebensgeschichte des Paheri 51 (Urk IV 123,9) und die Lehre des Ani 17.14: smnx st=k ntj m tA jnt.
Zu Harfnerlied: pHarris 500 6.6-8rt, in der Foxs (1985) Ausgabe steht jnbww=[s]n.
Re: Übersetzungsübung: Imhotep, ein Weiser aus Ägypten
« Antwort #25, Datum: 29.05.2010 um 11:29:52 »
Lieber RamsesXII,
(in Zitaten abgekürzt [D35]) und
(Abk.: [D35:n])
Sind dies nur Schreibvarianten eines Wortes n Negation oder handelt es sich um zwei verschiedene Wörter?
Wb II, 195 ist der Meinung, daß es sich nur um Schreibvarianten handelt, obwohl darunter die unterschiedlichen Verwendungen aufgeführt werden.
Ich habe in einigen Grammatiken nachgeschlagen, wie diese Frage heutzutage gesehen wird.
So schreibt Edel, Altägyptische Grammatik, § 1076 nach einer längeren Darstellung in altägyptischen Texten [also in Texten des Alten Reichs]:
Zitat:
Man sieht also ganz klar, dass es in alter Zeit nur eine einheitliche Negation n gab, die sich erst sekundär im Mä. [Mittelägyptischen] in zwei voneinander lautlich und syntaktisch verschiedene Negationen n und nn gespalten hat. (Hervorhebung von mir)
In der von mir gern zitierten Grammatik von Gardiner heißt es im § 104 "negative words":
Zitat:
Old Egyptian did not make the distinction and Dyn. XI still often uses [D35] for [D35:n]. For [D35:n] religious texts show the variants [n:n] and [D35:n:n], seeming to point to the reading nn ... The distinction between [D35:n] nn and [D35] n is rather obscure; possibly [D35:n] is always a predicate 'not is ...', 'it is not (the case that) ...', while [D35] is more closely linked to the word which it precedes and qualifies ...
In solchen Streitfällen lohnt es sich auch, bei Allen, Middle Egyptian nachzuschlagen; § 16.6.8:
Zitat:
[D35] nj and [D35:n] nn "not" These are the two major negative words of Middle Egyptian ... Most Middle Egyptian texts clearly distinguish the negative particles nj and nn by their spelling: [n] is used only in the spelling of nn, and nj is spelled with [D35] alone. The particle nn is a creation of Middle Egyptian: Old Egyptian had only the particle nj, which was used like both of the later negations nj and nn.
Hieraus entnehme ich, daß die vom Wb vertretene Auffassung, daß es sich nur um zwei Schreibvarianten ein und desselben Wortes handelt, aufgegeben wurde. Für das Mittelägyptische müssen wir diese beiden Negationsschreibungen auch als unterschiedliche Wörter betrachten.
Müssen wir nun n oder nj für
transkribieren?
In altägyptischen Texten taucht gelegentlich die folgende Schreibung auf:
aus der Edel (§ 1092) nach einer ausführlichen Diskussion den Schluß zieht:
Zitat:
... so wird deutlich, daß [D35:i*i] (und damit auch seine Defektivschreibung [D35], [n: D35]* etc.) am besten nj zu lesen sein wird.
* ja, so eine Schreibung gibt es auch! (siehe Wb II, 195)
Dem hat sich Allen wohl angeschlossen, während Hannig in seinem Wörterbuch und auch das TLA bei der bisherigen Schreibweise geblieben sind. Dem sollten wir uns anschließen.
Re: Übersetzungsübung: Imhotep, ein Weiser aus Ägypten
« Antwort #26, Datum: 29.05.2010 um 12:04:13 »
Hallo,
noch zwei Anmerkungen zum Beitrag von Maxim Panov:
Im ersten Absatz gibt er zwei Zitate aus Hordjedefs Lehre an, die in ägyptischen Texten gefunden wurden.
Der zweite Hinweis bezieht sich auf die hieroglyphische Umschrift, die Michael V. Fox, The Song of Songs and the Ancient Egyptian Love Songs, Madison/London, 1985, S. 379 gegeben hat. Er schreibt bei jnb.w "die Mauern" das Zeichen Z7 w-Schleife statt des Wachtelkükens G43. Siehe die von mir im Posting #9 zitierte Bemerkung von Adolf Erman, nach der wir das Z7 in solchen Fällen ignorieren können.
Ich sollte noch ergänzen, daß die von mir zitierte Passage aus dem "Anteflied" stammt, wie sie im hieratischen geschriebenen pHarris 500 (BM 10060) überliefert wurde (Spalte 6, Zeilen 6-8). Die hieroglyphische Umschrift stammt aus W. Max Müller, Die Liebespoesie der alten Ägypter, 2. Auflage, Leipzig, 1932, Tafel 12.
Re: Übersetzungsübung: Imhotep, ein Weiser aus Ägypten
« Antwort #27, Datum: 29.05.2010 um 13:53:31 »
vielen Dank fuer den Hinweis auf das Foto des Papyrus.
Noch eine Erwaehnung dieser Lehre findet man in einem grossen Brief des NR (pAnastasi I 11,1): (ironisch) Ddw=k n=j wa Tsw n dd-f-Hr bw rx=k... "Du hast mir eine Weisung des Dedefhor ausgesagt, du weisst aber nicht..."
Re: Übersetzungsübung: Imhotep, ein Weiser aus Ägypten
« Antwort #28, Datum: 29.05.2010 um 15:28:53 »
Lieber Michael,
Zitat:
Dem hat sich Allen wohl angeschlossen, während Hannig in seinem Wörterbuch und auch das TLA bei der bisherigen Schreibweise geblieben sind. Dem sollten wir uns anschließen.
Hm, wem sollten wir uns anschließen? Edel/Allen oder Hannig/TLA?