Seit dem Mittleren Reich (MR) kann man in den Privatgräbern die Darstellung einer zweifachen Bootsfahrt finden. Durch die Beischriften werden die Szenen als Darstellung einer Bootsfahrt nach und von --> Abydos bezeichnet. Nach Altenmüller (im LÄ, loc. cit.) erlauben verschiedene Bildfassungen eine Einteilung in drei Darstellungsgruppen (eine frühe Gruppe vom MR bis etwa --> Hatschepsut, eine mittlere von Hatschepsut bis ca. --> Amenhotep III, und eine spätere Gruppe von Darstellungen).
In allen drei Gruppen weist die Fahrt nach und von Abydos ein gemeinsames, einfaches Schema auf: eine Zeremonialbarke mit vorn und hinten hochgezogenen Steven und prachtvollen Steuerrudern wird von einem oder mehreren flusstauglichen Reiseschiffen geschleppt oder fährt selbständig. Je nach geografischer Lage des Ausgangsortes der Reise in Bezug auf Abydos wird auf der Hinreise gesegelt und auf der Rückseite gerudert, oder umgekehrt (Assmann, loc. cit.), d.h. bei Darstellungen in Gräbern aus Theben-West wird auf der Hinfahrt gerudert und auf den Rückfahrt gesegelt, was sich dadurch erklärt, dass in Ägypten in der Regel ein kräftiger Nordwind vorherrscht. Hin- und Rückreise stehen entweder im gleichen Register nebeneinander oder in benachbarten Registern untereinander.
In den Darstellungen der älteren Gruppe (MR -> Hatschepsut) steht auf der Zeremonialbarke eine Art Baldachin, unter dem entweder der in ein langes weißes Gewand gehüllte Grabherr oder seine Mumie dargestellt ist. Die Bekleidung mit einem langen, eng anliegenden Gewand, das keine Körperkonturen mehr erkennen lässt, wurde häufig als Darstellung von Statuen interpretiert, dürfte aber wohl eher der Darstellungsweise des Osiris entsprechen (Bröckelmann, loc. cit.). Der Grabherr wird in der Regel von seiner Gemahlin begleitet. In einigen Darstellungen wird die Barke auf der Rückreise von Abydos durch ein normales Reiseschiff ersetzt, auf dem die Mumie wohl in einem Sarg transportiert wird. Sowohl auf der Hin- als auch auf der Rückreise wird der Grabherr von Priestern versorgt, z.B. mit Opfern.
In der mittleren Gruppe (Hatschepsut -> Amenhotep III.) verschwindet die Mumie von der Barke. Statt dessen sind der Grabherr und seine Gemahlin dargestellt, die anfänglich beide lange weiße Gewänder tragen, die keine Konturen der Körper mehr erkennen lassen. Der Grabherr trägt häufig einen Wedel, die Gemahlin eine Lotusblüte (z.B. im Grab des --> Menna, TT 69). In späteren Darstellungen tragen beide Gestalten die in der jeweiligen Zeit übliche Tracht und sind von lebenden Personen nicht mehr zu unterscheiden. Die Besatzung der Barke besteht aus einem Steuermann am Heck und einem Priester am Bug, der den Steuermann leitet und auch die Opfergaben auf der Rückfahrt weiht.
Bei der späteren Gruppe findet sich auf der Zeremonialbarke ein geschlossener Aufbau, so dass nicht mehr erkennbar ist, wer oder was auf der Barke transportiert wird.
Die folgende Abbildung zeigt die Abydosfahrt aus dem Grab des Menna (TT69), rechts die Hinfahrt, links - unter Segel - die Rückfahrt nach Theben
- Vollbild -
Die Abbildung zeigt die Hinfahrt nach Abydos aus dem Grabe des --> Sennefer (TT96).
- Vollbild -
Die Darstellungen der Abydosfahrt finden sich bis zum Ende der 18. Dynastie nur in den zugänglichen Kulträumen der Grabanlagen (die unterirdischen Teile wurden in der Regel bis dahin nicht dekoriert. Die Szene stehen nicht im direkten Zusammenhang mit dem Transport der Mumie zur westlichen Nekropole (dort tauchen die Szenen des Westfahrt auf), aber doch zumeist im hinteren Teil der Längshalle der T-förmigen Grabanlagen, in der - im Gegensatz zur Querhalle - der Jenseitsbereich stärker betont wurde.
Der Zweck der Reise nach Abydos erscheint klar, obwohl die Beischriften stark variieren und nur knapp Auskunft über den Zweck geben (Assmann, loc. cit.). Wenn, dann geht aus den Beischriften der Wunsch des Grabherrn hervor, an den Festspielen zu Ehren des Osiris in Abydos teilzunehmen. Allerdings lässt sich anhand der Ikonographie nicht belegen, ob Mumien oder Statuen gefahren sind. Unklar ist auch, ob die Fahrt tatsächlich durchgeführt wurde, oder ob sie als Kultspiel während der Beisetzung durchgeführt wurde (Assmann, loc. cit.) oder nur als kultische Darstellung im Grab angebracht wurde, da der Grabherr ja zu Osiris werden wollte (Bröckelmann, loc. cit.).
Eindeutig zu trennen ist die Abydosfahrt von der Westfahrt zur Nekropole (Theben-West). Ikonographisch zeigen sich folgende Unterschiede (nach Bröckelmann, loc. cit.):
- es gibt nur eine Fahrt (nach Westen zur Nekropole), keine Rückfahrt;
- an der Westfahrt nehmen zahlreiche Trauerfrauen teil, die es bei der Abydosfahrt nicht gibt;
- bei der Westfahrt ist die Ehefrau des Verstorbenen als Trauernde dargestellt, während sie auf der Abydosfahrt - neben ihren Gatten sitzend - ebenfalls Empfängerin der Kulthandlungen ist;
- auf der Westfahrt ist der Baldachin, unter dem der Verstorbene sitzt, durch Vorhänge verschlossen.
Quelle: Altenmüller, H., in: Lexikon der Ägyptologie (LÄ), Bd. I. Wiesbaden 1975-86, Sp. 42ff
Assmann, J., Tod und Jenseits im alten Ägypten, München 2001
Bröckelmann, D., Abydosfahrt. Vortrag in Marburg, 23.01.2004
Bröckelmann, D., Zu Besuch bei Osiris. Welt und Umwelt der Bibel 31, 1/2004
Eingestellt durch: | Iufaa (17.04.2005) |
Bearbeitet durch: | Iufaa (12.05.2005) |
|