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Thema: Bohrlöcher im Tempel von Medinet Habu |
Iufaa Moderator
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Re: Bohrlöcher im Tempel von Medinet Habu |
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« Antwort #15, Datum: 15.01.2006 um 11:39:09 » |
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Hallo Gast A, bzgl. der Lochanordnung gebe ich Dir völlig recht. Die Anordnung um Hathor und ihrem Sohn, um Imhotep und auch um Ptah herum sieht aus, aus wären sie für getrennte Einheiten (Tempelinhaber, Gäste, Nachzügler) - ev. auch zeitlich nacheinander - angebracht worden (siehe dazu das Bild von Dirk). Irritierend ist aus meiner Sicht aber die Anordnung der Löcher um Ptah herum, erstens bewegen die sich alle auf einem anderen Niveau, zweitens ergeben die "Bohrlöcher" in Fusshöhe keine Grundlage für einen Boden - mit dem einen mittleren Loch unter den Füßen kann man wohl kaum den Boden stützen. Insgesamt scheinen mir diese Befestigungslöcher aber keine tragende Funktion zu haben, dazu sind sie wohl nur begrenzt geeignet. Eher scheinen sie mir dazu zu dienen, einen möglichst engen Anschluss zwischen der Wand und der davor errichteten Konstruktion (was immer das gewesen sein mag) zu erzielen. Wie soll man sich die Raumtiefe vorstellen - begehbar oder lediglich flache Schreine wie bei unseren Wegekreuzen (mit Ablage für Votivgaben)? Gruss, Iufaa
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Dirk Member
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« Antwort #16, Datum: 15.01.2006 um 11:42:13 » |
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Hallo Iufaa, wenn man die unterschiedlichen Lochgrößen berücksichtigt, paßt das Bild wahrscheinlich gut zu der Mehrphasigkeit der Reliefabfolge. Gruß Dirk
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monja Member
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Re: Bohrlöcher im Tempel von Medinet Habu | | 117_1726.jpg - 155 KB |
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« Antwort #18, Datum: 15.01.2006 um 17:12:23 » |
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Moin … Mal eine Verständnisfrage… Wenn dort so ein großer "Anbau" war und man diesen von der Seite – südlich – betrat, dann waren die Reliefs in einer Art Vorbau ( evtl. etwas wie ein Naos?) zu sehen, über denen evtl. ein gemeinsamer Baldachin oder etwas in der Art war? Das würden dann die größeren Löcher etwas weiter oben über den Reliefs erklären. Von dem Grundriß des Anbaus scheint ja nichts zu sehen sein, wie ich mich erinnere ist an dieser Seite nichts weiter ausgegraben und nur hügeliges Gelände zu sehen… Wie breit und wie hoch muß man sich den Anbau vorstellen? Weiß man zu welchem Zweck dann der Anbau diente? Gruß Monja. Foto : Nauna
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Gast_A. Member
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Re: Bohrlöcher im Tempel von Medinet Habu |
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« Antwort #20, Datum: 15.01.2006 um 23:31:26 » |
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Hallo! Wie gesagt: die Rekonstruktionsvorschläge von D. Wildung sind rein theoretischer Natur und bislang nicht durch archäologische Untersuchungen gestützt. Auch hat er das Thema nur am Rande behandelt und daher wohl keine akribische Analyse der Spuren an der Tempelrückwand vorgenommen. Die großen Löcher, die ca. 50 cm über den kleinen Zapfenlöchern der Kapelle(n) liegen, dienten nach Wildung (S. 204f.) zur Aufnahme einer später angebauten, stabilen und weit vorspringenden Dachkonstruktion. Sie sind also von der ursprünglichen Holzkonstruktion der Schreine, um die es ja zunächst ging, zu trennen! Wozu genau diese Dachkonstruktion diente und wie sie aussah, notiert Wildung nicht. Aus seinen Angaben (z.B. "Front- und Rückwand dieser Umbauung haben keine Spuren hinterlassen") ist zu schließen, dass er von einer gemauerten Erweiterung der ursprünglichen (Holz-)Kapelle an der Tempelrückwand ausgeht. Ob auch diese von Süden zu betreten, oder insgesamt offen gestaltet war ist nicht notiert. Eine ähnliche Ziegelkonstruktion ist aber z.B. aus dem Hathor-Tempel von Deir el-Medine bekannt, wo ja auch in römischer Zeit eine Ziegelummauerung des Reliefs in der "Gegenkapelle" auf der Tempelrückseite gesetzt wurde (Bruyère, DeM I, Le Caire 1948, Taf. VIII). Gruß A.
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ta_ian.t Member
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Re: Bohrlöcher im Tempel von Medinet Habu |
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« Antwort #21, Datum: 16.01.2006 um 11:25:36 » |
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Hallo! Das Problem der kleinen Zapflöcher wurde vor einigen Jahren von Laetitia Gallet in ihrem Vortrag (LMU, München) zu ihrer Arbeit am so genannten Osttempel in Karnak angesprochen. Dort gibt es zahlreiche kleinformatige Reliefs und Graffiti an der Außenwand, die von kleinen Zapflöchern umgeben sind. Die Oberfläche um die Figuren war gelegentlich sogar aufgerauht. In diesem Kontext gingen sie und ihre französischen Kollegen von Metallbeschlägen/-bezügen (Bleche/Folien) aus zur Aufwertung dieser Reliefs. Das einzige, was ich zu dieser Arbeit im Internet finden konnte ist folgender Auszug, der jedoch nur allgemein ihre Arbeit beschreibt. (Le temple dit de l’Est dans l’enceinte du temple de Karnak) Diese Stiftlöcher (zum Aufhängen/Befestigen als mögliche Art der Aufwertung/Ausstattung von Reliefs) sind mir persönlich bisher v.a. an ptolemäischen Beispielen aufgefallen. Eine derartige Technik der Wandgestaltung konnte ich zumindest für bemalte Tücher aus dem ptolemäischen Teil des Tierfriedhofs von Tuna el Gebel nachweisen. (Diss. in Vorbereitung). Aufgrund dieser Befunde scheinen mir die kleinen Zapflöcher um die Figuren für eine (etwas wackelige) Schreinkonstruktion wenig vielversprechend. Darum herum ließe sich dann (auch gleichzeitig) ein Baldachin/eine Kapelle bauen (große rechteckige Zapflöcher). Gruß ta_ian.t
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Dirk Member
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« Antwort #25, Datum: 17.01.2006 um 21:32:35 » |
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Hallo, vielleicht einige zusätzliche Anmerkungen zu den Dübellöchern: Pro: Wenn die viereckigen Löcher mindestens so ca. 2x2 cm sind und so 4-5 cm tief, dann kann man hier ohne weiteres einen rahmenartigen Holzkasten (wie zB ein Oberschrank bei heutigen Küchen)anhängen - auch dann, wenn es sich um Kupferdübel handelt. Das muß keineswegs eine wackelige Angelegenheit sein, insbesondere bei der relativ guten Verteilung der Dübellöcher in unserem Beispiel. Die Belastung bei solchen Dübeln (eigentlich muß man sich darunter so eine Art Keile vorstellen, oder etwas nietenartiges)teilt sich nämlich auf eine Zug-komponte (=der Kasten versucht durch die einseitige Aufhängung den Dübel aus der Wand zu ziehen) und einer Scherkomponente (das Gewicht versucht den aus der Wand ragenden Teil abzuscheren). Kontra: Zitat:
Schreine in so ner Art Hängeschrankausführung sind mir auch in der Grabausstattung nirgends bekannt. Im altägyptischen Bauwesen kommen Schreine nur als Nischen oder auf eigenem Fundament STEHENDEN Anbauten vor. |
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Das ist natürlich ein schwerwiegendes Argument, aber gibt es nicht noch mehr solcher Dübelspuren, die mit unserem Beispiel vergleichbar wären - also regelmäßig verteilte Löcher um eine Darstellungsgruppe. Könnte man sich dort dann auch eine am Boden aufstehende Schreinarchitektur vorstellen, oder finden wir heute nur deshalb keine "Hängeschränke", weil man sie restlos entfernt hat. Wenn einer ans Metall will, sind ihm die Holzkasteln egal. Ein gemauerter Untersatz, Fundament o. ä. hat da größere Überlebenschancen. Und wenn es nur eine Rahmenkonstruktion war, erspart man sich das Problem mit der Rekonstruktion eines Anbaus, denn was verleitet einen denn dazu, einen geschlossenen Vorbau anzunehmen? Es sind die wesentlich größeren Balkenlöcher über den Reliefs. Wie sicher aber ist die ungeprüfte Annahme, daß die Balkenlöcher gleichzeitig mit den Dübellöcher sind? (Eine rhetorische Frage). Auch hier wäre die Suche nach Vergleichen, wo solche Dübellochreihen mit Balkenreihen "zusammengehen", vielleicht ein Lösungsweg. Wenn es nämlich bei solchen vergleichbaren Befunden zu den Dübellöchern am Außenbau keine passenden Balkenlöcher gibt, dann würde das die Vorstellung vom (flachen) Hängeschrein wahrscheinlicher machen. Eine völlig andere Sache scheint mir das Problem mit den bodennahen Rund(!)-Löchern in Eingangsbereichen zu sein. Die stehen anhand der bisherigen Befunde anscheinend in keiner Beziehung zu Reliefs etc. Funktional dürften sie auch nichts mit einem Türmechanismus zu tun haben, weil dort, wo die obere Architektur vorhanden ist, fehlen die Pendants. Als "hinge panels" bezeichnet man übrigens auch die Scharnier-Verkleidungen, also nicht das Scharnierband selbst, sondern eine Abdeckung für diesen Drehmechanismus (zB bei Autotüren). Der Zweck der Bohrungen bleibt rätselhaft. Grüße Dirk
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4U2 Gast
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« Antwort #26, Datum: 20.01.2006 um 11:47:28 » |
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Hallo alle einige Anmerkungen zu den Dübellöchern: Da es sich bei den angesprochenen Bauwerken um relativ neue (20 Dyn und Nutzung einige 100 Jahre ? bis in die Perserzeit ?) handelt wurden möglicherweise einige Detailänderungen in der Bautechnik UND im Kultbetrieb ( Gegentempel-Schrein an Rückwänden ? ) eingeführt. Dieser Zeitraum ist nicht gerade mein Interessenschwerpunkt. Hier wären sicher einige erklärende Anmerkungen von Kultspezialisten aus dem Forum HELP angebracht. Verwendeten zB die Römer Einrahmungen, Hängeschreine usw.? Dann wäre auch ein Technikimport andenkbar. Denn: Nagelartige Verbindungen in der ägyptischen Verbindungstechnik sind weder im Schiffsbau oder der Möbelkonstruktion bekannt. Hier wurden schon seit Anfang der Zeit erstaunlich perfekte Zapf- Schnür-Klemm- und Falztechniken entwickelt. Im Steinbauwesen als Beispiel der Schwalbenschwanz, in dem der Dübel liegend in der eingetieften Passung gleichzeitig das eigentliche Verbindungsmodul darstellt. Vertikale hängende Anbringungen zB an Wänden erbrachten dann den eigentlichen Dübel, schmale Holzaplikationen um die inneren Flanken der Aussparung im Stein in die der Verbindungszapfen eingekeilt wurde. Einen Metallstift direkt in den (Sand)Stein einzutreiben erscheint wenig Erfolg versprechend, da dessen Klemmwirkung unter Last (besonders an oft bewegten Aufhängungen) als Unzureichend anzunehmen ist. Und der Haltestift herausgezogen wird. (siehe Dirks Anmerkung) Bei Toren wurde daher in ÄGYPTEN ausschließlich der in einer Vertiefung aufstehende Drehzapfen eingesetzt. Im römischen Kulturraum wurde hier schon kräftig genagelt. Scharnier und Dübel waren weit verbreitet. Eisen als Bauapplikation bekannt und hochbelastbar. Dort wo Dübellöcher nur im unteren Bereich ( Hohe Verschleiszone bei Drehzapfen) auftreten auch als Ersatz andenkbar. Und Damit käme ich zu meiner oben angeführten Ausgangsfrage zurück.
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Gabi Gast
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Re: Bohrlöcher im Tempel von Medinet Habu |
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« Antwort #27, Datum: 20.01.2006 um 15:29:31 » |
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Die Bohrlöcher müssen wohl in einer Zeit entstanden sein, als man schon Bohrer kannte und daher bohren konnte. Ein Volk, dass jedoch nicht das Rad gekannt haben soll, wird wohl kaum über einen Bohrer verfügt haben. Daher dürften die Bohrlöcher erst in jüngerer Zeit entstanden sein. VG, Gabi
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Gitta Gast
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Re: Bohrlöcher im Tempel von Medinet Habu | | bohrer.jpg - 73 KB |
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« Antwort #28, Datum: 20.01.2006 um 15:41:24 » |
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Selbstverständlich kannten die Ägypter Bohrer. Gitta
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Gabi Gast
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Re: Bohrlöcher im Tempel von Medinet Habu |
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« Antwort #29, Datum: 20.01.2006 um 19:02:48 » |
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Liebe Gitta, danke für den eindeutigen schlagkräftigen Hinweis. Du hast beachtliche Kenntnisse - mein Respekt. Wie ist es aber möglich, dass ein Volk einen derartigen Bohrer kennt, aber angeblich nicht das Rad. Es wird doch immer wieder ausgeführt, der Pyramidenbau sei deshalb so bemerkenswert, da die alten Ägypter das Rad nicht kannten. (Das Rad - auch mit Achse - ist doch im Grunde nur eine kinematische Umkehr des Bohrers mit Bohrerwelle und Bohrerlager, gemäß der Darstellung in dem zitierten Buch.) Gibt es eine ebenso schlagkräftige Erklärung?
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